
825KM von Amsterdam nach Nürnberg, 4 Fahrer, davon 2 mit Lastenrädern, 8 Tage Fahrzeit um ca. 44 KG Schokolade emissionslos von Amsterdam nach Nürnberg zu transportieren.
Worum geht’s?
M. E. geht es darum das Bewusstsein für die Notwendigkeit von fairem und möglichst emissionfreiem Transport von Konsumgütern zu schärfen.
Die Schokofahrt wurde vor ca. 2 Jahren von einer Truppe radfahrender Umweltfreunde aus Münster gestartet und hat sich mittlerweile über ganz Deutschland und auch Teile Österreichs ausgeweitet (Details dazu findet ihr auf der offiziellen Schokofahrt Seite hier: https://schokofahrt.de
Da ich ja mittlerweile im Nürnberger Land wohne, bin ich mit der Nürnberger Gruppe mitgefahren.
Organisiert wurde die Nürnberger Tour von Valentina, die noch Heinz, Thomas und mich als Mitfahrer rekrutieren konnte.
Die Tour im Einzelnen
Tag 1: Amsterdam nach s-Hertogenbosch (106 KM)
Die Nacht hatten wir auf einem Zeltplatz in der Nähe der Chocolatemakers Manufaktur verbracht und sind gegen 10 Uhr am Treffpunkt angekommen. Ungefähr 140 in bunte, enge Fahrradklamotten gekleidete Leutchen hatten sich dort versammelt und lauschten der bewegenden Rede des Chocolatemaker – Chefs, der Ortsteil Bürgermeisterin und einem der drei Tres-Hombres Initiatoren.
Dann begann die Ausgabe der Päckchen, die die jeweiligen Teams transportieren sollten. Obwohl wir gleich an zweiter Stelle bei der Ausgabe aufgerufen wurden, gestaltete sich die Ladungsfindung störrischer und langwieriger als geplant, sodass wir erst um 13 Uhr losfahren konnten.
Die Fahrt bei strahlendem Sonnenschein zuerst durch Amsterdam dann weiter über Land war spannend bis entspannt. Heinz hatte sich eine interessante Konstruktion für den Transport seines Wanderrucksacks ausgedacht, die auch etliche Kilometer durchhielt. Irgendwann musste er jedoch Abschied nehmen, da sich eines der beiden Rädchen zu oft zu verselbstständigen suchte.
Bei einsetzender Dunkelheit erreichen wir die Stadt s-Hertogenbosch, gehen schnell noch was Essen bevor wir unsere Unterkunft, in einem interessanten Altbau in einer ruhigen Wohnstrasse aufsuchen.
Tag 2: s-Hertogenbosch nach Melick / Roerrmond (102 KM)
Noch einen ganzen Tag hatten wir Gelegenheit die hervorragende holländische Radinfrastruktur zu genießen.
In krassem Kontrast zu unserer bisherigen Landschaftserfahrung seit Amsterdam durchquerten wir einen Nationalpark (der, dessen Namen ich natuerlich nicht erinnere), der eine einzige, sandige Steppe darstellte. Ich wähnte mich in der Wüste zumal wahnsinnig viele Kamele auf Fahrrädern (Tagesausflügler) auf einem super schmalen Pfad unterwegs waren.
Die Nacht verbrachten wir bei etwas betuchteren Leuten in einem mehrflügeligen Riesenbungalow.
Tag 3: Melick / Roerrmond nach Köln 94 KM
Vorbei an riesigen Spargelfeldern, auf denen fleissig gearbeitet wurde, überqueren wir am dritten Tag die Grenze nach Deutschland
Mittlerweile sind wir Profis und nutzen den Windschatten des Vordermanns um mit möglichst geringem Kraftaufwand als geschlossene Gruppe dem Gegenwind die Stirn zu bieten.
In Köln angekommen unternehmen wir noch einen kleinen Ausflug in das lokale Gastgewerbe und erfrischen die trockenen Kehlen mit mehreren (weil winzig kleinen) Kölsch bevor wir unsere Warmshowers Gastgeberin in ihrer Kölner Villa aufsuchen.
Den Abstecher zum Kiosk um noch ein paar Kölsch als Gastgeschenk mitzunehmen hätten wir uns sparen können, denn Anja trink generell kein Bier und mich hat das ganze Gesöff eher um den Schlaf gebracht, als geholfen.
Tag 4: Köln nach Koblenz (102 KM)
Endlich kommen wir an den Rhein. Die Aufregung bei einigen Mitfahrern kennt keine Grenzen und sie führen ekstatische Freudentänze am Rheinufer auf (zugegeben: leichte Übertreibung)
Zufällig picken wir einen temporären Mitfahrer auf, nämlich einen Iren namens Peter, der ebenfalls auf einer krassen Mission unterwegs ist. Er versucht komplett “sans plastique” also komplett plastikfrei durch Europa zu reisen. Sehr interessant und sehr schwierig, meinte er, vor allem wegen der Feiertage, an denen er keine Lebensmittel kaufen konnte, da es keinen Wochenmarkt gab und alle Unverpackt – Läden geschlossen waren.
Leider hat Peter uns verlassen, als wir in Bonn im Biergarten unsere Mittagspause machten.
In Andernach haben wir dann noch ein mal ein Päuschen gemacht und wir haben uns mehrere Male bei der Eisverkäuferin angestellt.
Bevor wir unsere Unterkunft erreichen, also nach ca. 96 KM Tagesstrecke erreichen wir nach einer Autobahnbrücke eine als Radweg offiziell ausgeschilderte 150 Meter lange Treppe ohne irgendeine Möglichkeit ein Fahrrad oder Kinderwagen oder Dreirad hinunter zu bekommen. Zum ersten Mal müssen wir die Lastenräder abladen und Ladung und Rad einzeln runter tragen. WTF?!!!!
Unsere Unterkunft dagegen ist ein beschaulicher, im wahrsten Sinne des Wortes ein geradezu besinnlicher Ort, nämlich das Haus St. Josef in Koblenz Vallendar “… unser Haus hat einen Andachtsraum, der sich für Stille, Meditation und Gebet anbietet. ” Genau über diesem durfte ich dann nächtigen 🙂
Tag 5: Koblenz nach Mainz oder Wiesbaden ins Party House! (107 KM)
Diesen Tag müssen wir zu dritt bestreiten, weil Heinz einen Abstecher nach Hause machen musste um dort ein paar Dinge zu erledigen. Seine Schokoladen Ladung wurde daher an diesem Tag von den beiden Lastenradlern Valentina und Thomas übernommen.
Die Fahrt am Rhein entlang war wahnsinnig idyllisch. Es gibt x-tausend kleine Burgen rechts und links und alles ist super putzig! Auch die Radwege sind zu Highways ausgebaut und es macht sehr viel Spass hier entlang zu heizen.
Als wir Mainz erreichen und idealerweise direkt in Sichtweite eines Bioladens, erreicht uns die angekündigte Sturmfront. Hastig stellen wir unsere Fahrräder ab und stürzen in den Laden. Valentina und Thomas nehmen sich seeeeeehr viel Zeit bei der Auswahl ihres Abendessens. Ungefähr eine Stunde später können wir die letzten 4 KM zum Partyhouse (IMHO Gruselhaus) antreten. In letzter Sekunde stellen wir unsere Räder in der, von einer Goldwing und allerlei Müll bewohnten Garage ab, schliessen die Haustüre des total abgerockten, Einfamilien, Reihenmittelhauses als die Hölle in Gewitterform losbricht. Schwein gehabt, meine lieben Freunde des gepflegten Bioeinkaufs.
Die Versuche unseres Gastgebers mit uns zu saufen und Party zu machen laufen allesamt ins Leere und wir bleiben bei Leitungswasser und Tee. Party over!
Tag 6: Mainz oder Wiesbaden nach Klingenberg (106 KM)
Hurraa, wir sind wieder zu viert. Heinz ist spät am Abend noch im Reihenhaus angekommen. Wir fahren nun den Main entlang. Erst mal schön bei Opel in Rüsselheim vorbei und später rein nach Aschaffenburg. Dort kommt es während wir Ausschau nach einer Mittagspausen Gelegenheit halten zu unserem ersten technischen Defekt. Valentinas Vorderrad ist plötzlich platt und der Schlauch muss gewechselt werden. Im Anschluss gibt’s ‘ne ordentliche Rast in unserem ersten fränkischen Wirtshaus!
Danach gehts weiter nach Klingenberg, wo in der Tankstelle der Schlüssel zum Wanderheim am Aussichtsturm abgeholt werden muss. Und nach weiteren schlappen 210 Höhenmetern auf einem Kiesweg durch den Wald haben wir den Turm auf dem Klingenberg gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang erreicht. Wie schön :))
Den Abend lassen wir mal ganz gechillt ausklingen!
Tag 7: Klingenberg nach Würzburg (93 KM)
Der Wetterfrosch hat sich offenbar der Land- und Forstwirte erbarmt und lässt heute ganztägig mehr oder weniger starken Regen auf die vier Radfahrer (unter Anderem) prasseln. Leider sind auch zeitgleich die Temperaturen stark gesunken, sodass die Fahrt bis zur Mittagspause ziemlich unangenehm ist. Erst in Wertheim, wo wir in einem italienischen Restaurant Mittagspause machen, gelingt es mir wieder einigermassen warm zu werden und wir konnten unsere Klamotten an einem indoors aufgestellten Heizpilz (Teufelszeug!) trocknen. Danach gings natuerlich wieder raus in den Regen. Auf einer bergab Schotterpiste durch den Wald kam eines der Lastenräder vom Weg ab und stürzte. Alles in Allem gings jedoch glimpflich ab. In Würzburg angekommen hörte der Regen plötzlich auf, war ja klar! Und wir machten es uns bei unseren Gastgebern, die selber die Schokofahrt von Amsterdam nach Würzburg in 3 Tagen gemacht hatten, gemütlich. Es handelt sich allerdings auch um Fahrrad Kuriere, die es gewohnt sind hunderte von Kilometern in Höchstgeschwindigkeit durch die Gegend zu radeln. (Entschuldigt bitte den Dreck, den wir in eurer Wohnung hinterlassen haben :-/)
Tag 8: Yeah … letzte Etappe – Würzburg nach Nürnberg (115 KM)
Wir verlassen Würzburg bei schönstem Wetter und haben noch einen besonderen Mitfahrer namens Gerhard, seines Zeichens Radfahrlegende im Würzburger Raum, dabei. Auch er hat die Schokofahrt selbst schon erledigt und dafür nur einen Tag länger gebraucht als die Rad Kuriere obwohl er ein paar Jahrzehnte mehr Lebenserfahrung aufzuweisen hat. Er zieht uns praktisch in ungeahnter Geschwindigkeit die ersten 35 KM Richtung Nürnberg und fährt dann wieder zurück nach Hause. So schnell sind wir bisher noch nicht unterwegs gewesen.
Während der weiteren Fahrt bauen sich langsam erste Wolken auf und wir schaffen es gerade rechtzeitig in ein fränkisches Wirtshaus kurz vor Ladenschluss um noch was zu Essen zu bekommen und um in Ruhe die Regenkleidung für den Rest des Tages anzulegen.
Gelassen radeln wir weiter und wähnen uns schon in Sicherheit bis wir zwischen Vach und Nürnberg die schwarze Wolke, eine Shelf Cloud, erblicken, die uns bis Nürnberg St. Johannis verfolgen sollte.
Mich hat’s dann nochmal so richtig erwischt, als ich die Restliche Strecke zum Nürnberger Hauptbahnhof fahre. Aber egal. Nach 825 Kilometern, will ich nur noch schnell nach Hause 🙂
Alles in Allem war es super schön, die Streckeneinteilung gerade richtig und die Mitfahrer super entspannt und lustig.
Die Fahrer

Die Strecke
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Finde mehr Infos zur Schokofahrt allgemein: https://schokofahrt.de
und zur Nürnberger Tour : https://www.facebook.com/schokofahrtnuernberg
Nicht vergessen: Video guggen!
Übrigens, wenn ihr euch für Lastenräder interessiert und gerne mal Eines (kostenfrei) ausleihen möchtet, dann schaut gleich mal auf der Seite des Projekts “Lastenrad für Alle” des gemeinnützigen Vereins BLUEPINGU e.V. vorbei.
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